Erinnerungen eines
alten
Jazzers
zur Entwicklung der Mülheimer Jazz - Szene
Mehr als 60 Jahre alt
sind die Wurzeln der
Mülheimer Jazz - Szene. Genau war es im Jahre 1951. In jenem Jahr,
als sich am 21. Oktober 1951 auf der 4. Arbeitstagung der
Arbeitsgemeinschaft westdeutscher Hot-Clubs im Mülheimer
Wasserbahnhof die westdeutschen und Berliner Jazzclubs zur "Deutschen
Jazz Föderation" zusammenschlossen. Sie hat heute ihren
Sitz in Deidesheim. Von diesem Ereignis
gingen
Impulse aus. Der Mülheimer Trompeter Helmut Schlitt legte 1953
mit der Gründung der
"Woodhouse Stompers" den Grundstein
für eine rasante Entwicklung des Jazz in dieser Region. Die
sieben Musiker der Band sind zu den Wegbereitern der
Szene im Ruhrgebiet zu zählen. Auf der Beliebtheit und Anerkennung
dieser jungen Amateur- Musiker, die sich insbesondere durch ihr
erfolgreiches Auftreten beim Deutschen Amateur Jazz Festival einen
guten Namen geschaffen hatten, baute "Ötte" Falk auf und rief den
AJC-Afternoon Jazz-Club
ins Leben. Zu den rhythmischen Klängen der Woodhouse Stompers
und anderer Bands tanzte Mülheim`s Jugend am
Sonntagnachmittag ab 16:00 - 18:00 Uhr
im Saal des kleinen Zimmertheaters des Hotel Handelshof. Das
Zimmertheater erwies sich bald als viel zu eng für den
großen Andrang und man ging ohne langes Zögern in den
Marmorsaal der
Stadthalle über.
1960 wurde auf Initiative von "Ötte" Falk der
Kohlenkeller des
Schifferhauses entrümpelt und mit hohem finanziellem Aufwand
Mülheims erster Jazzkeller, der "Tresor", eingerichtet. Hier
trafen sich regelmäßig die Mitglieder der Mülheimer
Jazz-
I. G. Mittlerweile spielten oder probten in Mülheim die "Elms Ave Jazzmen" , "Slap Hat Jazzband" , "Milhome
Kids" "Schietmeier &
Söhne", "Rainy City Stompers" und "Coach House
Jazzmen" in Mülheims Jugendheimen, Cafes oder
Privatkellern. Doch der Jazz war schon nicht mehr zeitgemäß.
Zeitgenössische Musik war jetz die Musik von Bill Haley,
Little Richard, Elvis Presley, der Beatles und vieler anderer
Interpreten. Erst um 1970 bildete sich wieder bei den Jazzkonzerten in
der "Alten
Lampe" an der Aktienstraße eine Clubatmosphäre, die
später zur "Müller - Flora" am Ruhrufer übertragen
wurde. Leider auch dort nur für wenige Jahre. Hans A. Pitzke
stellte 1979 im Rhein-Ruhr- Zentrum "ZETT" den Tanz (Swing) in den Mai
auf
die Beine. Diese jährlichen Veranstaltungen entwickelten sich
zu einem international bekannten und beliebten Festival der
Jazzmusik. Es ist sein Verdienst, der gesamten westdeutschen Jazzszene
neues Leben eingehaucht zu haben! Zu Anfang der 80er Jahre
gründeten aktive Mülheimer Jazzer die Ruhr - River
Jazzband und die
Basement Jazzband.
Eben diese Musiker der Ruhr - River Jazzband und der Basement
Jazzband waren dann auch am
09. Juni im Jahre
1989 die Gründer des Mülheimer Jazzclubs. Viele
Jazzfreunde, die ihre Liebe zum Jazz über alle Modetrends hinweg
aus den stürmischen 50er Jahren bewahrt hatten, ermunterten
Manfred Mons und Helmut Schmidt zu diesem Schritt, tatkräftig und
finanziell unterstützt von Ulrich Wagner dem damaligen
Pächter des Schifferhauses. Der 9. Juni 1989 war die Geburt des
"Mülheimer Jazz-Club im Schifferhaus", - 100 m vom Mülheimer
Hauptbahnhof entfernt. Das erste Konzert war ein
voller Erfolg. Dies ermunterte die Jazzfreunde dazu, in den
anschließenden Sommerferien den historischen Gewölbekeller
des Schifferhauses, den ehemaligen "Tresor", dauerhaft für
Konzerte herzurichten und wieder mit Jazzmusik zu beschallen.
Mülheimer, Duisburger und Essener Bands unterstützten den
neuen Club mit Elan und mit viel Herzblut bei ihren Konzerten und ist
seitdem aus der westdeutschen Jazzszene nicht mehr wegzudenken.
Noch im gleichen Jahr ging der Jazzclub eine Partnerschaft mit dem
Dresdener Jazzclub "TONNE" ein. Viele Feundschaften und gute
Beziehungen zu Bands aus der DDR entwickelten sich seit dieser Zeit.
S.u.
Die Geschichte des Mülheimer Jazzclubs im
Schifferhaus
"Förderverein
für Jazzmusik
in Mülheim an der Ruhr e. V".
Auszug aus der Satzung
Auszug
aus dem Vereinsregister
Ca. 2 Jahre später,
am 02. Februar 1991, war das
Gründungsjahr des Fördervereins. Gründungsmitglieder
waren: Ulrich Wagner, Manfred Mons, Helmut Schmidt, Annemarie Schmidt,
Claudia Till, Willi Deutsch und Claudia Wicke. Wir mußten allen
Mut
zusammennehmen, um diesen Schritt zu wagen. Behördenkram, z. B.
Satzung, ein Greuel für jeden Jazzer, sollte abgearbeitet
werden. Zum Glück gab es Rechtsanwalt und Jurist Dr. Keller, der
alles für uns erfolgreich erledigte. Jetzt hießen wir :
Förderverein für... u.s.w.. und waren gemeinnützig! Ein
Monstrum von Namen für einen Jazz-Club. "Mülheimer Jazzclub"
nannten wir uns trotzdem weiterhin, bis das Finanzamt alle unsere zum
ersten Mal eingereichten Unterlagen zurückschickte mit der
Bemerkung, daß ein Club dieses Namens beim Finanzamt nicht
registriert sei. Seitdem wissen wir, wie wir "richtig" heißen
müssen, aber trotzdem
nennen wir uns "Mülheimer Jazzclub". Viele Freunde
des traditionellen Jazz schienen auf das Auftauchen dieses Clubs
gewartet zu haben. Sie kamen zu den Konzerten am Freitagabend, die sich
als heißer Tipp präsentierten. Amateurbands des Rhein -
Ruhr Gebietes, und auch die Jazzer aus dem deutschen und dem
europäischen Profilager gaben sich freitagsabends die Klinke
in die Hand. So ist es bis heute geblieben. 2019 feierten wir unser 30-jähriges Jubiläum zusammen mit 500 Jazzfreunden in der großen Zeppelinhalle
auf dem Mülheimer Flughafen. Es wurde ein 7-stündiges
Fest der Generationen mit sieben Bands, zu dem wir auch unsere Freunde
die Dutch-Swing College Band eingeladen
hatten.
Mülheimer Jazzclub im Hopfen - Sack
Im Frühjahr 1994
wechselte die Pacht im
Schifferhaus. Ulli Wagner, ehemaliger Pächter,
Gründungsmitglied und Unterstützer des Clubs suchte sich
ein neues Betätigunsfeld. Die neuen Pächter hatten ein
anderes musikalisches Konzept, und so machten wir uns nach einiger
Zeit notgedrungen auf die Suche nach einem neuen Zuhause. Wir hatten
sofort Glück.
Familie Riese bot uns den Servicekeller unter ihrem Hotel
Restaurant Hopfen - Sack an und "Adam" war bereit, ein schönes
Sümmchen für den Umbau zu einem Jazzkeller zu investieren.
Einige Aktive ließen sich nicht lumpen und fassten bei der
Installation der Anlage und beim Eigenbau der Bühne mit an.
Urgemütlich ist es dort unten geworden. Rund 100 Gäste finden
hier unten Platz: an der Theke, an den Stehtischen, auf den
Kirchenbänken mit Tisch oder notfalls sitzend oder stehend im
Gang. Der "Bischofsitz" ist als erster besetzt. Die Bands fühlen
sich jetzt auf der viel größeren Bühne mit der guten
Lüftung pudelwohl. Ein gestiftetes Schlagzeug,
Klavier, Bass-Verstärker und eine
gute
Verstärkeranlage- inclusive der dazu nötigen Mikrofone- machen
jetzt
den Aufbau der Bands im Prinzip überflüssig. Wenn es dann
noch zwischen den Auftritten "Bütterkes" oder èn
"Süppken" gibt, ist
die Freude groß. Das wäre alles nichts, wenn nicht unser
sympathisches Publikum jeden Musiker zu persönlichen
Höchstleistungen antriebe. Mittlerweile zählt der Club
über 380 Mitglieder. Bis zum Jahr 2020 besuchten uns hunderte
Jazzbands
aus 15
Nationen; von den USA bis Australien, von Kuba bis Russland.
Jugendförderung
Die Zukunft haben die
Clubmitglieder immer im
Blick; sie fördern seit Jahren den Nachwuchs. " AC - Dixie",
Swingmen", "Jazzessary", "Boogiemen", "Students Of Jazz" und
"JazzPresso" konnten
hier unter professioneller
Betreuung die
ersten Jazzharmonien erlernen und vortragen. Alle Jugendbands
zeigen der Öffentlichkeit jedes Jahr bei Sonderkonzerten im
Jazzkeller und auf dem Mülheimer Jazzfestival ihren
Entwicklungsstand. Auch die Bigbands der weiterführenden Schulen
zwängen sich auf die dann nicht mehr geräumige
Jazzclub-Bühne, um ihren Familien und Freunden zu zeigen was sie
"drauf haben". Viele alte Hasen sind beeindruckt
und ermuntern die jungen Leute zwischen 12 und 20 Jahren, fleißig
zu üben
und sich zu vervollkommnen. Der Club unterhält seine
Aktivitäten allein von den
Spenden
bzw. Mitgliedsbeiträgen seiner Mitglieder. Sponsoren sind zwar
erwünscht, aber schwer zu finden.
Partnerschaften
Im Jahre 1988, also 1 Jahr
vor der
Maueröffnung, trat die Ruhr - River Jazzband mit Manfred Mons beim
Dresdner Jazzfestival auf. Es wurden Bekanntschaften mit anderen
ostdeutschen Jazzmusikern geschlossen, die bis heute
bestehen. Als Folge dieser Beziehungen ergab sich eine Partnerschaft
mit dem Dresdner Jazzclub "Tonne". Im Mai 1989 vereinbarten beide
Clubs wechselseitige Besuche. Zum "Jazz im ZETT" kamen 40 Dresdner
zu uns an die Ruhr; zwei Wochen später fuhr eine große
Gruppe
von hier nach Dresden zum 20. internationalen Dixieland Festival. Ein
Partnerschaftsvertrag mit der Jazz Philharmonic Hall in St.
Petersburg folgte alsbald, und noch 1995 besuchte eine 50 -
köpfige Gruppe unseres Clubs die alte Zarenstadt. Auch dieser
Partnerschaft ist es zu verdanken, daß der hervorragende Musiker
David Golostchokin, der Direktor der Jazz - Philharmonic Hall, schon
mehrmals mit seiner
Band bei uns im Club aufgetreten ist.
Reisen
Viele interessante Club -
Reisen
veranstaltete der MHJC bisher. Die guten Erfahrungen aus den Reisen
nach Dresden und St. Petersburg veranlaßten uns, Paris, New
Orleans
(gleich zweimal), die Schwarzwälder Jazztage, die
Feierlichkeiten "1000 Jahre Danzig", das Middelburger Jazzfetival, die
Jazzfestivals in Ascona und Enckhuizen zu besuchen.
Jedes Jahr
wird eine Jazzreise organisiert. Natürlich sind
solche Reisen auch wunderbare Kontaktbörsen zu anderen
Jazzfreunden und natürlich auch zu Jazzmusikern ,
wie zum Beispiel
der Auftritt von "David und Roselyn" aus New Orleans im Club und im
Rahmen der Mülheimer Jazztage und Riverboat Shuffeln, die wir
übrigens seit 1991
bis heute
(2014) mit Rat und Tat unterstützen. Die letzte, -aber hier
erwähnenswerte Reise,- ging im Nov. 2019 für 5 Tage
nach Berlin. 30 Jahre Mauerfall. Unser Bus der
Fa. Graf hat uns jeden Tag zu einer anderen "Sehenswürdigkeit"
(?) gefahren. Unsere Jazzfreunde der Papa Binne`s Jazzband hatten
einen gemeinsamen Auftritt
der Ruhr-River JB. in ihrem Club-Etablissement organisiert.
Anschließend ging es zum Brandenburger Tor und nach erfolgreicher
kurzer Verhandlung mit der dort anwesenden Polizei
gaben wir dort mit "Papa Binne" ein
gemeinsames kurzes Konzert mit kleiner Besetzung; in direkter Nähe und trotz Absperrung, - aber mit
großem Publikum.